Industriegespräch: Steyr bewegt

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Bildung und Fachkräfte, Energieversorgung und Rohstoffe sowie die Marke Steyr waren am 19. Oktober die Themen des Abends des Industriegesprächs, veranstaltet von der Zukunftsregion Steyr in den historisch passenden Räumlichkeiten von Kühberger & Haas, wo vor 100 Jahren die ersten Wälzlager der heutigen SKF produziert wurden. Dietmar Mascher (OÖN) moderierte kurzweilig durch den von spannenden, interessanten Diskussionen erfüllten Abend mit hochkarätigen Gästen sowohl am Podium als auch im Publikum.

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Industriegespräch der Zukunftsregion Steyr am 19.10.2022

 
Am Podium diskutieren (v.li.n.re) Christian Kreil, Bgm. Markus Vogl, Dietmar Mascher, Christian Huber, Dieter Angerer zum Thema „Positionierung der Marke Steyr“. Foto: Peter Kainrath

Ausgangspunkt für das Industriegespräch waren die im Frühjahr 2022 geführten Zukunftsvisionsgespräch mit ausgewählten Vertretern der Steyrer Industriebetriebe. Zukunftsregion-Sprecher Christoph Grumböck schildert die Hintergründe zur Veranstaltung: „Von den damals erarbeiteten acht Themen, haben wir zwei für dieses Industriegespräch ausgewählt: Fachkräfte und damit einhergehend Bildung und die Marke Steyr bzw. die Positionierung derselben. Ein weiteres Thema wurde aufgrund der aktuellen Situation als Diskussionspunkt hinzugefügt: die Energieversorgung.“

Bildung und Fachkräfte

In der Diskussion befinden sich Herbert Jodlbauer (FH OÖ Campus Steyr), Christian Mayer (Business Upper Austria), Franz Sandmair (AMS Steyr) und Christopher Schuster (BMW Group Werk Steyr). Die Arbeitslosigkeit sinkt, dennoch ist und bleibt Steyr im gesamten Bundesland Oberösterreich Schlusslicht. Gleichzeitig suchen die Unternehmen ringend um Fachkräfte. „Warum gibt es dieses Mismatch? Bilden wir die Leute falsch aus?“, fragt Moderator Mascher. Die Gründe sind vielfältig - laut AMS-Chef Sandmair ist oft nicht die berufliche Qualifikation das Problem, sondern manchmal auch der Gesundheitszustand und eine bereits länger andauernde Arbeitslosigkeit der einzelnen Personen. Lösungsansätze sieht er auch bei den Unternehmen:  Gerade in Zeiten eines eklatanten Mangels an Arbeitskräften könnten manche Jobprofile an die verfügbaren Bewerber:innen angepasst werden und nicht nur umgekehrt. Christian Mayer, Projektmanager des Fachkräfte Service OÖ der Business Upper Austria, sieht den demografischen Wandel als Mitursache für die Arbeitskräftelosigkeit. Das Beschäftigungswachstum erfolgt seit langem hauptsächlich durch qualifizierte Zuwanderung, nur 18% können vom einheimischen Markt gedeckt werden. Christopher Schuster, Leiter der Aus- und Weiterbildung, HR-Marketing und Recruiting im BMW Group Werk Steyr, spricht an, dass in der Region viel Knowhow vorhanden ist, jedoch in Hinblick auf den technologischen Wandel einige Herausforderungen bestehen. Um Beschäftigte und künftige Arbeitnehmer:innen fit für die Elektromobilität zu machen, gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den Ausbildungsstätten in der Region. Darüber hinaus hat das BMW Group Werk Steyr unter anderem vor einem Jahr selbst ein Aus- und Weiterbildungszentrum gebaut, um die Mitarbeiter:innen intern für die Zukunft der Mobilität vorzubereiten und Lehrlinge auszubilden. Herbert Jodlbauer, Studiengangsleiter für Produktionswissenschaft am FH OÖ Campus Steyr, fordert ein Umdenken und Denken in größeren Räumen. „Ziel der FH OÖ ist es, interessant für internationale Studierende zu sein. Ziel der Region soll es sein, dass internationale Fachkräfte kommen wollen“, so Jodlbauer. Ebenso beobachtet er einen Mangel an humanistischer Bildung und Sprachkompetenz, welche vermehrt in den Fokus gestellt werden sollte.

Energieversorgung und Rohstoffe

Reinhard Blasl (SKF Steyr), Gerhard Rimpler (my-PV), Johannes Hunschofsky (EIT Manufacturing East) und Rudolf Fritsch (HYDRO-CONSTRUCT) diskutieren anschließend das Thema „Energieversorgung und Rohstoffe“, das aufgrund der derzeit steigenden Energiepreise äußerst aktuell ist. Welche Auswirkung die Energiekrise auf den Standort Steyr hat, sieht Hunschofsky abhängig davon, in welcher Industrie ein Betrieb ist und mit wem dieser im Wettbewerb steht. Da österreichische Betriebe mehr für Strom zahlen als beispielsweise deutsche Betriebe, wirkt sich das auf den Wettbewerb aus. „Produzierende Unternehmen wie SKF Steyr, die Nischenprodukte mit hoher Wertschöpfungstiefe erzeugen, betrifft dieses Thema natürlich auch“, erzählt Blasl. SKF versucht an allen Schrauben zu drehen, um die Chancen dieser Krise positiv zu verwerten. Die bestehende 200kWp Photovoltaikanlage produziert nur ca. 1% des Jahresverbrauches des Unternehmens, ein Vollausbau hingegen könnte 15% des Jahresverbrauches abdecken. Zusätzlich setzt man sich bei SKF jährlich das Ziel, den Jahresenergieverbrauch um mind. 5% zu senken. Dies gelingt durch Projekte wie z.B. Wärmerückgewinnung von Fertigungsprozessen, Einsatz neuer Beleuchtungstechnologien und kontinuierlicher Gebäudesanierung. Genutzt wird grüner Strom. „Volatile Energiequellen sind modern und derzeit in aller Munde, aber funktionieren nicht ohne Wasser und deren Speichermöglichkeiten“, sagt Fritsch. Er sieht noch viel Potenzial in der Speicherkraft, in der Optimierung bestehender Anlagen und der energetischen Nutzung vorhandener Ressourcen. Rimpler betont den Trend zur Autarkie mit Eigenerzeugung durch Photovoltaik (PV) für alle Sektoren. „Es bedarf einer Kombination aller erneuerbaren Energie-Technologien. Wesentlich wird die Speicherung billiger PV-Energie im Sommer für den Winter. Wasserstoff als saisonaler Speicher wird wichtig, in der Mobilität aber keine nennenswerte Rolle spielen“, meint Rimpler. Bürgermeister der Stadt Steyr, Markus Vogl, ergänzt in der Diskussion: „Die Stadt Steyr beschäftigt sich mit dem Thema Energiespeicherung im Zuge der Blackoutvorsorge. Mittels Wasserstoffproduktion aus Überschussstrom könnte im Notfall mit einer Brennstoffzelle zum Beispiel die Wasserversorgung abgesichert werden. Aber auch bei der Wasserkraft gibt es in Steyr noch ein Potenzial von 10GWh, ohne dafür in die noch frei fließenden Strecken von Enns und Steyr einzugreifen.“

Die Marke Steyr

Markus Vogl (Bürgermeister der Stadt Steyr), Dieter Angerer (Steyr Motors), Christian Huber (CNH Industrial Österreich), und Markenexperte Christian Kreil (klartext-kreil) sprechen über die Marke Steyr – eine fesselnde Diskussion, die auch das Publikum mitreißt. Kreil weist auf eine Trennung der Stadt-Marke Steyr und der Automotive/Industrie-Marke Steyr hin. „Die Steyrer Traktoren und LKW kennt jeder, die Stadt Steyr jedoch nicht“, sagt Kreil. Huber bestätigt das. „Die Steyr Traktoren sind im Konzern CNH die Perle“, erklärt er mit Begeisterung. Die Industrie-Marke Steyr hat eine eigene Strahlkraft und steht für Innovation, Technologie, Kompetenz und Beständigkeit – vielleicht der Grund, warum zahlreiche Steyrer Unternehmen „Steyr“ in ihrem Namen beinhalten. Steyr Motors hat beispielsweise trotz zahlreicher Eigentümerwechsel den Teil „Steyr“ im Unternehmensnamen immer beibehalten. „Der Name Steyr war immer der Garant für Langlebigkeit und Innovation auch unter schwierigen Bedingungen – so wie unsere Motoren“, meint Angerer und anerkennt auch die Kluft zwischen der Produkt- und Stadt-Marke, sieht aber gleichzeitig einzigartiges Potenzial: „Wie viele Städtenamen außer Steyr finden sich in weltweit bekannten Produktnamen wieder?“ greift er das Beispiel von Kreil auf. Dass dafür eine stärkere Zusammenarbeit von Unternehmen und der Stadt Steyr wichtig ist, wird durch Beiträge aus dem Plenum deutlich. Einigkeit herrscht darüber, dass Steyr eine Stadt-Marke braucht, die mit Werten aufgeladen, aber nicht „überladen“ wird. Ebenso wird das Potenzial und die vielen Möglichkeiten gesehen, die wir mit der Marke Steyr erzählen können. Publikumsanregungen sind unter anderem die vorhandene Innovation in Steyr verstärkt zu kommunizieren, beispielsweise Steyr als Innovationshub, als „Silicon Valley“ für automotive Zukunftsanstriebssysteme. Steyr wird von Expats durchwegs positiv erlebt und dieses positive Bild könnte auch in die Markenbildung einfließen. Auch Bürgermeister Vogl wünscht sich eine Marke, die mit Leidenschaft transportiert wird. Seit einem Jahr arbeitet er bereits daran das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer starken Marke zu schaffen. Vielleicht fließen die Anregungen in den Schlussworten von Moderator Mascher in die Markenbildung ein, der Steyr mit Bewegung verbindet, denn Bewegung findet sich in den Innovationen, im Fluss, beim Wandern in der Natur etc.

Derzeit gibt es die Möglichkeit mit #MeinSteyrDeinUrlaub auf den Sozialen Kanälen mitzumachen und Steyr in seiner Vielfalt sichtbar zu machen.

Die anregenden Diskussionen wurden beim Buffet fortgesetzt und bildeten so den Abschluss für einen spannenden Abend, der dazu veranlasst, ins Tun zu kommen. Dies wird die Zukunftsregion Steyr auch aufgreifen. „Wir werden uns intensiv mit den heutigen Ergebnissen beschäftigen und schauen, wo wir weitere Entwicklungen initiieren können – gemeinsam mit den Unternehmen der Stadt“, sagt Daniela Zeiner, Leiterin des Netzwerks.

Nächste Veranstaltung: Forum Elektromobilität am 8.11.

Ebenso spannend wird es bei der nächsten Veranstaltung am Dienstag, den 8. November beim Forum Elektromobilität ab 17:00 Uhr (CheckIn)/ 17:30 Uhr (Start) im Amtsgebäude Reithoffer in Steyr, durchgeführt von der Zukunftsregion Steyr und der Stadt Steyr. In mehreren kurzen Impulsvorträgen und einer anschließenden Diskussionsrunde wird das Thema Elektromobilität auf vielschichtige Weise beleuchtet. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, sich bei den einzelnen Infoständen individuell mit den Themen im Detail zu beschäftigen.
Nähere Infos und Anmeldung

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Industriegespräch der Zukunftsregion Steyr am 19.10.2022